Menschensprache und Tiersprache
Teil 1 | 2: In den zahlreichen Diskussionen über Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Mensch und Tier wird der Sprache und ihrer Verwendung ein bedeutender Stellenwert eingeräumt. Aber: Besitzen Tiere überhaupt eine eigene Sprache? Oder besitzen sie vielleicht sogar eine eigene Sprache, die der menschlichen gleichwertig ist? Kann man das Bellen eines Hundes oder das Schnurren einer Katze als gleichwertige „Wörter“ deuten, mit denen Tiere kommunizieren? Ist Sprache die Grenze, die Mensch und Tier voneinander trennen oder ist es das Glied, das uns miteinander verbindet?

Die Sprache ist ein spezifisch menschliches Phänomen
„Die Sprache ist ein spezifisch menschliches Phänomen und kann gerade deshalb als eines der wichtigsten Kriterien zur Unterscheidung der Menschen von den Nicht-Menschen dienen.“ (Schaff, Adam (1965) Sprache und Erkenntnis und Essays über die Philosophie der Sprache. Europa Verlag. St. 205-219)
Nach Adam Schaff ist Sprache ein einzigartiges Merkmal der Menschen. Sie gehört zu den wichtigsten und stärksten Kommunikationsmitteln und ist ein unverzichtbares Werkzeug in der Organisation unseres Lebens. Aber worin unterscheidet sich das Kommunikationssystem der Menschen von dem anderer Wesen? Auch Tiere „sprechen“ und kommunizieren untereinander. Wodurch unterscheiden sich also die sogenannten Tiersprachen, wie z. B. die Zeichensprache der Bienen oder die komplexen Lautsprachen der Vögel, Delfine oder Primanten von der Sprache des Menschen?
In den Tiersprachen hat jeder Laut bzw. jedes Zeichen eine feste Bedeutung. Das heißt aber auch, dass ein Tier über begrenzte Sprachzeichen verfügt. Wenn z. B. einem Tier 50 unterschiedliche Sprachzeichen zur Verfügung stehen (das können Laute, Bewegungsformen, aber auch andere Signale sein), dann kann es damit auch nur 50 Bedeutungen ausdrücken. Diese Ausdrücke sind in ihrer Art festgeschrieben. Kann das Tier 1.000 Sprachzeichen bilden, ist seine Ausdrucksfähigkeit zwar wesentlich höher, aber immer noch grundsätzlich begrenzt.
Der Mensch jedoch ist in der Lage die Laute beliebig und in weitgehend freier Weise, je nachdem was er mitteilen möchte, zu einer individuellen, höheren Bedeutungseinheit zu formen. Diese Fähigkeit zur individuellen Verbalisierung unterscheidet den Menschen von anderen irdischen Lebewesen. Uns stehen mit begrenzten Mitteln praktisch unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung. Als „begrenztes Mittel“ ist das Alphabet gemeint, dass je nach Betrachtungsweise aus lediglich 26 bis 30 Lauten besteht. Man bedenke, dass unsere gesamte Literatur, sämtliche wissenschaftlichen Schriften, alles, was tagtäglich geschrieben und gesprochen wird, aus besagten 26 bis 30 Lauten besteht. Während wir, dank unserer Individualität Sprache beliebig formen können, ist das Tier auf gewisse Signale begrenzt. Sie kommunizieren üblicherweise so, dass bestimmte, der Gattung vorgegebene Zeichen ausgesendet werden und diese Zeichen sind eingeschränkt. Die Tiere, an die das Signal gerichtet ist, reagieren darauf oder reagieren nicht. Bei Tieren ist die Kommunikation meist von einer äußeren Anregung abhängig. Das Signal wird nur erzeugt, wenn für das Tier ein Anlass, eine äußere Situation vorherrscht.
Der Mensch jedoch besitzt die Möglichkeit, seine individuelle Sprache frei einzusetzen, zu entscheiden was, wann oder wem er etwas sagen will, unabhängig von Zeit, Ort oder Situation.
Die genauere Definition der Sprache behandelt demnächst ein 2. Blog zu diesem Thema. Haben Sie schon Anregungen dazu? Ich bin neugierig von Ihnen zu hören.
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